Corona-Krise als Anlass für Telemedizin

25. März 2020

Die aktuelle Situation stellt Arztpraxen vor immer neue Herausforderungen. Gefragt sind innovative Konzepte, die sich schnell und alltagstauglich umsetzen lassen. Wolfgang Fink, Geschäftsführer MEDI-MVZ im Südwesten, hat hier für Abhilfe gesorgt: Nach Heimarbeitsplätzen für MFA gibt es jetzt Telemedizin-Arbeitsplätze für Mediziner in Quarantäne.

MEDI: Herr Fink, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der MEDI-MVZ sind zurzeit in Quarantäne?

Fink: In unseren sechs MVZ haben wir aktuell drei MFA, die wegen ihrer chronischen Erkrankungen zum eigenen Schutz nicht in der Praxis arbeiten können. Eine MFA und ein Arzt bleiben empfohlenerweise zu Hause, weil sie vor mehreren Wochen in einem Risikogebiet waren.

MEDI: Aber die MVZ-Angestellten haben nicht einfach frei?

Fink: Nein, wir haben für die MFA Heimarbeitsplätze aufgebaut und der Arzt unterstützt seine Kollegen per Telemedizin. Bei den „Hausärzten am Spritzenhaus“ arbeitet auch eine Ärztin in Heimarbeit, da sie die Kinderbetreuung nicht anders organisieren kann.

MEDI: Wie muss ich mir die Umsetzung vorstellen?

Fink (lacht): Bekanntlich machen Krisen ja erfinderisch und ermöglichen es, neue Dinge zu testen. Bei uns war es so: Ein Arzt aus dem MEDI-MVZ Böblingen war in Tirol zum Skifahren, kurze Zeit später wurde die Region zum Risikogebiet erklärt. Er hat zwar keine Symptome, aber ich wollte proaktiv handeln, um keine Patienten oder Mitarbeiter zu gefährden. Weder das Landesgesundheitsamt noch das Gesundheitsamt in Böblingen war telefonisch erreichbar und wir waren somit auf uns alleine gestellt. Also haben Dr. Wolfgang von Meißner aus der Praxis „Hausärzte am Spritzenhaus“ und ich spontan mit Dr. Tobias Gantner von der Philonmed GmbH telefoniert. Von ihm stammt das Konzept der OhneArztPraxis.

MEDI: Was für ein Konzept ist das?

Fink: Es geht dabei um ländliche Fernbehandlungs- und Diagnostikzentren, in denen kein Arzt anwesend ist. Die Praxen werden von MFA geleitet und durch Haus- und Fachärzte aus der Region betreut – im Rahmen der ärztlichen Fernbehandlung. Wir waren auf Dr. Ganter gestoßen, weil wir langfristig angedacht hatten, eine Zweigpraxis tageweise telemedizinisch an ein Zentrum anzubinden. Dieses Projekt wurde dann modifiziert und an die Corona-Krise angepasst.

MEDI: Wie sieht das konkret aus?

Fink: Wir haben dem Arzt, der sich in von Minister Spahn empfohlener Quarantäne befindet, im MVZ ein telemedizinisches Sprechzimmer eingerichtet. Von zu Hause aus kann er per Bildschirm in diesem Zimmer Patienten sehen und untersuchen. Wir werden hier verschiedene Abläufe ausprobieren und schauen, was sich bewährt.

MEDI: Aber er wird vermutlich bald wieder aus der Quarantäne kommen. Ist der Aufwand, so einen Telemedizin-Arbeitsplatz aufzubauen, nicht ein bisschen übertrieben?

Fink: Keineswegs. Die aktuellen Entwicklungen sind eine echte Herausforderung für unser Gesundheitswesen und wir brauchen flexible Handlungsmöglichkeiten, um weiter Patientinnen und Patienten versorgen zu können. Ich gehe davon aus, dass auch die anderen MEDI-MVZ bald den ersten Arzt oder die erste Ärztin in eine Quarantäne schicken müssen. Uns ist bewusst, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unsere wichtigste Ressource sind! Mit diesem Projekt sind wir in der Lage, sie weiterhin in der Patientenversorgung einzusetzen. Und natürlich sollen andere MEDI-Ärzte, auch in der Einzelpraxis, dasselbe umsetzen können.

MEDI: Noch eine Frage zu den MFA: Funktionieren die Heimarbeitsplätze für MFA, die sich in Quarantäne befinden, und über die Sie berichtet haben?

Fink: Das funktioniert! Wir haben aktuell fünf Heimarbeitsplätze in Betrieb, die über alle unsere MVZ verteilt sind. Dort kann man genauso arbeiten wie im Backoffice, also zum Beispiel Telefonate der Hauptrufnummer entgegennehmen, auf die Praxissoftware zugreifen und auf sämtlichen Druckern im MVZ Rezepte, AU und so weiter drucken. Es hat zwar Arbeit gemacht, aber dadurch konnten wir einen wesentlichen Schritt machen: Alle Mitarbeiterinnen mit chronischen Erkrankungen konnten aus dem direkten Patientenkontakt herausgenommen werden! Das ist uns menschlich wichtig, zusätzlich entspricht es auch den Anforderungen an die Fürsorge des Arbeitgebers. Für den Fall, dass noch mehr Quarantäne-Fälle hinzukommen, haben wir fünf weitere Heimarbeitsplätze bestellt. Die Kosten liegen bei etwa 860 Euro pro Arbeitsplatz inklusive Installation, Laptop, Telefon, Headset und Verkabelung.

Ruth Auschra

 

 

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